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Kinder - oder nicht?

Geburten in Deutschland im Spannungsfeld unsicherer Partnerschaften und prekärer Beschäftigung, Schriften aus dem MPI für Gesellschaftsforschung 90

Erschienen am 07.06.2018, 1. Auflage 2018
46,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593508832
Sprache: Deutsch
Umfang: 269 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 21.6 x 14.2 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Niedrige Geburtenraten, unsichere Partnerschaften und prekäre Beschäftigung - mit diesen Entwicklungen sieht sich Deutschland seit den 1970er-Jahren konfrontiert. Doch welchen Einfluss haben Unsicherheiten in der Partnerschaft und im Erwerbsleben auf die Geburt des ersten und zweiten Kindes? Diese Studie zeigt zwei notwendige sozialpolitische Konsequenzen auf, um der negativen Geburtenentwicklung entgegenzuwirken: die rechtliche Gleichstellung von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft und mehr Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt.

Autorenportrait

Annina T. Hering, Dr. rer. pol., war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, und arbeitet heute als Economist.

Leseprobe

Kapitel 1 Einleitung Das Geburtenverhalten in Deutschland steht immer wieder im Fokus der wissenschaftlichen, politischen und öffentlichen Diskussion. Der Grund hierfür liegt in einer niedrigen Fertilität, die seit über vierzig Jahren in Deutschland zu beobachten ist. Zusammen mit einer gleichzeitig steigenden Lebenserwartung werden diese Entwicklungen auch als "demografischer Wandel" bezeichnet. Mögliche Folgen dieser Entwicklungen für die Sozialsysteme, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft insgesamt werden auf wissenschaftlicher und politischer Ebene öffentlich diskutiert und hinterfragt (BMI 2011; 2012; Brussig 2015; Buhr und Huinink 2015; Bujard 2015; Ebbinghaus 2015; Frevel 2004; Goldstein, Sobotka und Jasilioniene 2009; Hinte und Zimmermann 2013; Mingels 2015). Abbildung 1-1 stellt die zusammengefassten Geburtenziffern der Jahre 1970 bis 2015 für Deutschland dar. Im Jahr 1970 wurden in West- und Ostdeutschland noch mehr als 2 Kinder je Frau geboren. Im Jahr 2015 waren es in Westdeutschland 1,50 und in Ostdeutschland 1,56 Kinder je Frau (Statistisches Bundesamt 2016b). Da die Geburten weit unterhalb des Bestanderhaltungsniveaus von 2 Kindern je Frau liegen, gehört Deutschland im internationalen Vergleich zu den Ländern mit der niedrigsten Fertilität (The World Bank 2017). Von einer niedrigen Fertilität wird gesprochen, wenn sich die zusammengefassten Geburtenziffern unterhalb des Bestanderhaltungsniveaus bewegen. Eine sehr niedrige zusammengefasste Geburtenziffer von weniger als 1,3 Kindern je Frau wird als "lowest-low fertility" bezeichnet (Billari und Kohler 2004, 161; Goldstein, Sobotka und Jasilioniene 2009; Kohler, Billari und Ortega 2002; Van de Kaa 1987). Diesen Schwellenwert zur "lowest-low fertility" unterschreitet Westdeutschland Mitte der 1980er-Jahre für zwei Jahre. Die Zahl der Geburten nimmt im Zuge der Wiedervereinigung in Ostdeutschland stark ab, was dort bis Mitte der 2000er-Jahre eine "lowest-low fertility" zur Folge hat (Statistisches Bundesamt 2016b). Abbildung 1-1 verdeutlicht, dass die zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland in den letzten dreißig Jahren weitestgehend konstant das niedrige Niveau von 1,4 Kindern je Frau gehalten hat - den extremen Geburtenrückgang im Zuge der Wiedervereinigung in Ostdeutschland ausgenommen. Im Gegensatz zur zusammengefassten Geburtenziffer nimmt die Zahl nichtehelicher Geburten in Deutschland seit den 1970er-Jahren kontinuierlich zu. In Westdeutschland wurden im Jahr 1970 5,5 Prozent der Kinder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften geboren. Im Jahr 2015 waren es bereits 29,5 Prozent. In Ostdeutschland lag der Anteil nichtehelicher Geburten im Jahr 1970 bereits bei 13,3 Prozent; bis zum Jahr 2015 ist er auf 60,7 Prozent angestiegen (Statistisches Bundesamt 2016b). Der Rückgang der zusammengefassten Geburtenziffern fällt in eine Zeit, in der sich Partnerschaften, Familien und der Arbeitsmarkt verändern. Welche Herausforderungen junge Erwachsene durch sich in der Vergangenheit verändert habende und sich weiterhin wandelnde Partnerschaften und Arbeitsmärkte mit Blick auf die Familiengründung und -erweiterung bewältigen müssen und welche Auswirkungen dies auf das Geburtenverhalten hat, untersuche ich in der vorliegenden Arbeit. Die Bildungsexpansion und die Kommodifizierung der weiblichen Arbeitskraft haben zusammen mit einem Wertewandel zu veränderten Rollenvorstellungen von Frauen beigetragen und die "Krise der Normalfamilie" eingeleitet (Beck-Gernsheim 1983; Beck und Beck-Gernsheim 1990; Kaufmann 1988, 393-400; Peuckert 2012, 17-28, 405-9). Die bürgerliche Familie dominierte das Familienideal der Nachkriegszeit. Dieses umfasste eine lebenslange Ehe, zwei Kinder und eine traditionelle Arbeitsteilung, die für die Frau eine Hausfrauen- und Familienrolle vorsah (Nave-Herz 2013a, 63; Peuckert 2012, 15-16, 20). Der Wandel von Partnerschaft und Familie seit den 1970er-Jahren hat zu einer Entkoppelung von Liebe und Ehe, von Ehe und Zusammenleben sowie von Ehe

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